Einleitung

Der Analphabet des 21. Jahrhunderts wird nicht derjenige sein, der nicht lesen und schreiben kann, sondern derjenige, der nicht lernen, umlernen und Neues lernen kann.

Alvin Toffler

1.1      Ziel und Inhalt

Die zunehmende Globalisierung, Firmenfusionen, Auslagerung der Produktion in wirtschaftlich günstigere Länder und die Beschleunigung der Produktentwicklung durch Unterstützung der Geschäftsprozesse mit den neuen E-Commerce-Anwendungen sind nur einige der Ursachen dafür, dass zunehmend Menschen von weit verstreuten Standorten zusammenarbeiten sollen. Sie erledigen ihre Aufgaben in Teams, die nicht wirkliche Teams sind, da ihre Mitglieder sich kaum persönlich treffen: virtuelle Teams.

Seit Jahrtausenden formt sich der Mensch seine Werkzeuge nach seinem Bedarf; genauso lange formen die Werkzeuge und ihre Nutzung den Menschen. Vom ersten Pfeil und Bogen über den Pflug bis zum heutigen Computer war es ein ziemlich langer Weg, der in unzähligen Publikationen aus unterschiedlichsten Standpunkten beschrieben wurde. Dieses Buch beschäftigt sich mit virtuellen Teams, die in Projekten arbeiten und mit dem Werkzeug Internet umgehen wollen: Wie sie es nutzen, nach ihren Bedürfnissen formen können und wie es ihre Arbeit beeinflussen kann. Es entstand aus der Praxis und wurde von Praktikern auf der Basis ihrer langjährigen Erfahrung für Praktiker geschrieben. Gleichwohl ist es aber auch ein Buch für Entscheider. Es erläutert die Grundbausteine eines Projektmanagements mit dem Internet, skizziert die Notwendigkeit einer solchen Lösung, deren Vorteile und Stolperfallen und gibt Beispiele für die Realisierung einer geeigneten Lösung.

Die Einleitung stimmt den Leser auf das Thema ein und stellt sicher, dass die Autoren und der Leser das gleiche Verständnis der verwendeten Grundbegriffe haben.

Die beschleunigten Abläufe der Unternehmensprozesse stellen auch an das Projektmanagement neue Anforderungen. In Kapitel 2 werden daher die Entwicklung und die Trends der Disziplin Projektmanagement vorgestellt. Dabei wird angenommen, dass der Leser grundsätzlich mit den Methoden und Lehren des Projektmanagements vertraut ist und mindestens begleitend schon einige Projekte live erlebt hat. Für die Grundlagen des Projektmanagements sei der Leser auf die zahlreiche Fachliteratur[i] verwiesen. In Kapitel 2 werden hauptsächlich die Innovationstrends im heutigen Projektmanagement aufgezeigt und der damit verbundene Wechsel der Erwartungshaltung und der Anforderungen an die unterstützenden Organisationen und Werkzeuge hervorgehoben. Hier werden ebenfalls die Rolle und die Aufgaben eines Projektbüros (Project Management Office) vorgestellt, einer Institution, deren Einsatz im Projektmanagement mit den neu entstehenden virtuellen Projektteams an Bedeutung gewinnt.

Das 3. Kapitel führt den Leser in die Grundlagen der Informationstechnologien ein. Hier wird insbesondere der Themenkomplex Internet, Intranet, Extranet detailliert besprochen und die dazu notwendigen Zugangs- und Sicherheitstechnologien und Konzepte erläutert.

In Kapitel 4 erhält der Leser einen Überblick zum Thema ASP, Application Service Providing. Hier werden der Nutzen sowie die Vor- und Nachteile dieses Konzepts erläutert.

Kapitel 5 erzählt ein wahres Märchen über eine Muster AG, eine ganz normale Firma, in der noch nicht ganz alltägliche Internet-Lösungen dem Projektleiter Müller bei seinen alltäglichen Projektaufgaben helfen.

In Kapitel 6 wird es wieder ernst: Datenschutz und rechtliche Aspekte, vor allem in Hinblick auf die Internet-Nutzung in internationalen Teams, sind hier das Thema.

Kapitel 7 beschäftigt sich mit der wirtschaftlichen Seite der Projektarbeit in virtuellen Teams: Hier werden Rechenbeispiele aufgeführt, die eine eigene Lösung der eines Dienstleiters gegenüberstellen, sowie Checklisten und Tabellen zur Verfügung gestellt, mit deren Hilfe ein Projektleiter seine Entscheidungen vorbereiten kann.

In den Anhängen befinden sich technische Details und konkrete Beispiele.

Im Anhang A kann der Leser tief in die Grundlagen der Netzwerktechnologie eintauchen. Anhang B klärt über Arten und Konzepte von Open Source auf, der so genannten freien Software, die von einer weltweiten Gemeinde von motivierten Programmierern entwickelt und der ebenfalls weltweiten Gemeinde der Anwender kostenlos zur Verfügung gestellt wird. Die im vorliegenden Buch vorgestellte Lösung für ein virtuelles Projektbüro basiert ausschließlich auf Open Source Software. Damit soll unterstrichen werden, dass Investitionen in ein Projektmanagement mit Internet nicht primär in die Softwarelösung, sondern in erster Linie in das Team getätigt werden sollten.

Anhang C enthält ein tabellarisches Verzeichnis der bekanntesten Projektmanagementsoftware und deren Funktionalität.

In den Anhängen D und E sind für den Leser, der gerade nicht online ist, einige Beispiele für die Anwendungen aufgeführt, die für virtuelle Teams die Basis für eine erfolgreiche Teamarbeit bilden. Dazu gehören: E-Learning bzw. E-Conferencing-Software und E-Collaboration-Anwendungen, mit denen man Projekt-Portale bilden kann, die virtuellen Projektbüros (Virtual Project Management Office, VPMO).

Die häufigsten Fragen, die bisher an die Autoren während verschiedener Workshops und Tagungen sowie seitens der Projektkunden herangetragen wurden, sollten ursprünglich in Anhang F unter Frequently Asked Questions (FAQ) aufgeführt und beantwortet werden. Während der Arbeit am Buch sind die Autoren von dieser Idee abgekommen. Als Tribut an die Aktualität des Themas und seine dynamische Entwicklung wurde der FAQ-Bereich als ein Online-Diskussionsforum realisiert und steht allen interessierten Lesern aktuell gepflegt im Internet zur Verfügung. Im Anhang F befindet sich eine Anleitung, wie man dieses Forum nutzen kann.

Für die Leser, die mehr über die Autoren erfahren wollen sowie über deren Ansatz, als virtuelles Team das Projekt „Buch“ durchzuführen, ist Anhang G vorgesehen.

Zum vorliegenden Buch gehört eine CD-ROM als Anlage. Mit dieser kann der technisch orientierte Leser für seine Projekte eine komplette lauffähige Beispielanwendung eines virtuellen Projektbüros installieren, so wie es in Kapitel 5 für die Muster AG vorgestellt wurde. Sie enthält alle Open Source-Anwendungen mit umfangreicher Dokumentation, Beispielscripts, Musterberechnungen für Kosten und die wichtigsten Internet-Links und Herstellerkontakte. Darüber hinaus enthält sie den Text dieses Buchs als Arbeitsunterlage und Recherchenquelle. Der Inhalt dieser CD-ROM ist in Anhang H detaillierter aufgeführt.

In weiteren Anhängen befinden sich das Glossar, in dem die Bedeutung der verwendeten Definitionen, Begriffe und Kürzel nachgelesen werden kann, der Index, der das schnelle Auffinden bestimmter Inhalte erleichtert, sowie das Literatur- und Quellenverzeichnis mit den wichtigsten Internet-Links und Herstellerkontakten.

Alle Fußnoten und Anmerkungen zum Text findet der Leser ebenfalls im Anhang. Dieser ist so gestaltet, dass er auch als Fließtext, sozusagen als Quellen- und Ideen-Repository, gelesen werden kann.

Anmerkung:

Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird im Text meist auf eine Unterscheidung der weiblichen/männlichen Schreibweise bzw. Bezeichnung bei Personen und Rollen verzichtet. Frauen und Männer sind selbstverständlich gleichermaßen angesprochen.

1.2      Struktur und Zielgruppen

Das vorliegende Buch besteht aus drei Teilen, die unterschiedliche Lesergruppen  mit unterschiedlichen Prioritäten lesen bzw. verwenden können:

Der erste Teil führt den Leser in die Thematik ein und zeigt anhand von Beispielen Lösungen auf.

Den zweiten Teil bilden die Anhänge. Diese sind zum Durchblättern und selektiven Lesen gedacht. Sie enthalten einige detaillierte technische Texte und einige konkrete Anwendungsbeispiele.

Der dritte Teil ist die CD-ROM. Diese ist schwerpunktmäßig für Leser, die lieber am PC arbeiten und für Praktiker, die das Gelesene am liebsten gleich umsetzen möchten.

1.3      Begriffe und Definitionen

In diesem Abschnitt werden einige Begriffe, die im vorliegenden Buch verwendet werden, näher erläutert. Damit soll sichergestellt werden, dass die Autoren und der Leser eine gemeinsame Sprache sprechen und verstehen. Eine genauere Definition der Begriffe wird dann jeweils im thematisch entsprechenden Kapitel vorgenommen. Die technischen Begriffe sind in den Anhängen A und B erläutert.

1.3.1        ASP – Application Service Providing

Seit Anbeginn des Rechnereinsatzes stellten sich Unternehmen immer wieder die Frage: Rechenleistung selbst herstellen oder Rechenleistung mieten? ASP – Application Service Providing – ist ein zeitgemäßes Konzept, nicht nur die Rechenleistung, sondern auch die Softwareanwendungsleistung zu mieten anstatt zu kaufen oder zu erstellen und pflegen zu müssen. Application Service Provider sind Anbieter dieser Mietsoftware.

ASP ist besonders interessant für große Projekte, die kein wirtschaftliches Interesse haben, in eine nur für die Dauer des Projekts benötigte IT-Infrastruktur zu investieren – oder keine Möglichkeiten (Zeit, Know-how, Ressourcen) dazu. Diese Projekte könnten beispielsweise für Anbieter von Projekt-Portalen und virtuellen Project Management Offices (VPMO) als Zielgruppe interessant sein (die Begriffe Projekt-Portal und VPMO[ii] sind in nachfolgenden Abschnitten erklärt). Das Thema ASP wird näher in Kapitel 4 besprochen.

1.3.2        CSCW – Computer Supported Collaborative Work

Die IuK-Unterstützung für Gruppenarbeit ist bereits seit etwa Mitte der achtziger Jahre Gegenstand der Forschung. Unter CSCW-Anwendungen oder Groupware werden Systeme verstanden, die das kooperative Arbeiten von Gruppen durch Computer unterstützen. Zur Kernfunktionalität von CSCW werden folgende Anwendungsklassen gerechnet:

·         E-Mail/Messaging: Anwendungen für elektronische Nachrichten;

·         Calendaring/Scheduling: Führen eines Gruppen-Terminkalenders;

·         Electronic-Meeting/E-Conferencing: Abhalten von Besprechungen mit IuK-Unterstützung (Video, Audio, Chat);

·         Real Time (synchrones) Data Conferencing: gemeinsames Bearbeiten von Objekten/Dokumenten während der Besprechung;

·         Non Real Time (asynchrones) Conferencing/Diskussionsforen: Unterstützung zeitlich unabhängiger strukturierter schriftlicher Diskussion;

·         Group Document Handling/Dokumentenmanagement: Unterstützung der gemeinsamen Bearbeitung und Verwaltung von Dokumenten;

·         Workflow-Tools: Unterstützung von Prozessabläufen in Gruppen.

Mit der Weiterentwicklung der Internettechnologien und unter Berücksichtigung neuer Geschäftsmodelle hat sich auch CSCW weiterentwickelt: Von isolierten Einzelanwendungen hin zu integrierten Knowledge Management Portalen, die als Plattformen für gemeinsame Arbeit von verteilt arbeitenden Teams (Virtuellen Teams, E-Communities) genutzt werden. Würde man CSCW heute einen Namen geben, würde man wahrscheinlich nur noch E-Cooperation oder E-Collaboration wählen.

Eine Positionierung[iii] der klassischen CSCW-Anwendungen bis zu den internetbasierten Portalen zeigt Abbildung 1. Die in Abschnitt 2.4 aufgeführten Anforderungen an die Software für das Projektmanagement orientieren sich an der Funktionalität der Portale für Projekte.

 

Abbildung 1: Abgrenzung der Collaborations-Anwendungen

1.3.3        Internet, Intranet, Extranet

Internet, Intranet und Extranet basieren auf den gleichen IuK-Technologien. Sie unterscheiden sich voneinander nur durch den Grad ihrer Offenheit bezüglich bestimmter Zielgruppen:

·         Intranet ist für eine begrenzte geschlossene Gruppe konzipiert (Abteilung, Projektteam, Unternehmen),

·         Extranet ist für eine etwas größere Gruppe/Community offen (beispielsweise Projektteam und externe Projektpartner),

·         Internet dagegen ist völlig offen und für alle da.

Im Folgenden wird im Text der Begriff Internet auch stellvertretend für eine Lösung mit allen oben genannten Internettechnologien (also auch Intranet und Extranet) verwendet. Eine detaillierte Erklärung und Abgrenzung der Begriffe werden in Kapitel 3 vorgenommen.

1.3.4        Knowledge Management

Knowledge Management/Wissensmanagement ist ein wesentlicher Bestandteil in den Geschäftmodellen des Informationszeitalters. Zu den Kernprozessen des Wissensmanagements gehören:

·         Wissensidentifikation (Transparenz des vorhandenen Wissens),

·         Wissenserwerb (Import von Wissen aus externen Quellen),

·         Wissensentwicklung (Aufbau neuen Wissens),

·         Wissensverteilung (Verbreitung des vorhandenen Wissens in der Organisation),

·         Wissensnutzung (produktiver Einsatz) und

·         Wissensbewahrung.

Während in den vergangenen Jahren die Unternehmen die Informationstechnologie schwerpunktmäßig für die Verbesserung ihrer administrativen und Produktionsprozesse nutzten, fingen sie etwa Mitte der neunziger Jahre an, die Bearbeitung und Nutzung der Ressource „Wissen“ und deren begleitenden Prozesse durch IT zu unterstützen. Knowledge Management-Anwendungen als Informationsplattform für die Projektteams gewinnen zunehmend strategische Bedeutung.

1.3.5        Virtuelles Team

Dieses Buch beschreibt Konzepte und Lösungen für virtuelle Teams. Der Begriff Virtuelles Team wird daher an dieser Stelle etwas detaillierter besprochen. Das Wort virtuell bezeichnet laut Fremdwörterbuch[iv] etwas, das „der Kraft oder Möglichkeit nach vorhanden“ ist. Das englischsprachige „virtual “ bedeutet „being in essence or effect but not in fact or name“[v].

Die Informatiker bedienten sich schon Mitte der sechziger Jahre des Begriffs virtueller Speicher für eine Adressierungsart, bei der Teile des Programms, die im Speicher ablaufen müssen, automatisch auf die Festplatte ausgelagert werden und dadurch der Zentralspeicher größer erscheint, als er physikalisch ist[vi]. Bis heute wird der Begriff „virtuell “ bzw. „virtuelle Systeme“ im Sprachbereich der Informatiker genutzt, um nur gedachte, nicht physikalisch existierende Komponenten und Strukturen in realen Rechnersystemen in vielfältigen Nutzungsformen[vii] zu simulieren. Wir werden uns später im Buch mit den Begriffen virtuelle Server und virtuelle Netze auseinander setzen. Dies ist nicht zu verwechseln mit dem Begriff Virtuelle Realität (VR). VR bezeichnet die computertechnische Möglichkeit, mit der der Anwender in die Lage versetzt wird, sich mit Hilfe von speziellen Schnittstellengeräten in einer computersimulierten Welt, dem Cyberspace, zu bewegen. Diese virtuellen Welten und alle darin enthaltenen Objekte werden mit Hilfe von mathematischen Modellen und Computerprogrammen dargestellt.

Der Begriff Virtuelles Team bezeichnet demzufolge ein Team, das nur so scheint und funktioniert, als ob es ein Team wäre, in Wirklichkeit aber kein echtes Team ist.

Was ist ein echtes Team? Stellen wir uns ein Team vor, meinen wir in der Regel explizit eine Gruppe von Menschen, die eng zusammenarbeiten, im räumlichen Sinne des Wortes: wie Sportteams oder Arbeitsteams. Die meisten Definitionen verstehen unter Team eine Gruppe von Menschen, die mittels voneinander abhängiger (interdependenten) Aufgaben interagieren. Die Aufgaben sind auf einen gemeinsamen Zweck ausgerichtet. Ein Team ist also eine Form der Organisation, bei der eine Gruppe von Personen gemeinsam an der Lösung einer Aufgabe arbeitet. Eine der meistzitierten Definitionen von Lipnack und Stamps[viii] hebt den Unterschied der virtuellen von den „herkömmlichen“ Teams hervor:

„Im Gegensatz zum konventionellen Team arbeitet ein virtuelles Team über Raum-, Zeit- und Organisationsgrenzen hinweg und benutzt dazu Verbindungsnetze, die durch Kommunikationstechnologien ermöglicht werden.“

Eine Klassifizierung  virtueller Teams erarbeiteten beispielsweise Duarte und Snyder 1999[ix]. Sie führen sieben Varianten von virtuellen Teams auf:

·         Vernetzte Teams: Ein vernetztes Team ist ein loses Netzwerk von Spezialisten, die sozusagen anonym zur Lösung einer Aufgabe beitragen. In einem solchen vernetzten Team sind die Mitglieder nicht fest definiert, können sich an der Team-Arbeit durch ihren Beitrag und in Abhängigkeit von ihrer Expertise flexibel beteiligen und müssen sich nicht einmal kennen. Ein Beispiel sind Consulting Knowledge-Netzwerke  oder Netzwerke für innovative Produktentwicklung von bekannten Consulting- oder Technologie-Unternehmen. Die Entwicklergemeinde der einzelnen Open Source-Softwareprodukte kann man auch als ein vernetztes Team bezeichnen.

·         Parallele Teams: In einem parallelen Team sind die Mitglieder bekannt und für die Dauer ihrer Wirkung fest definiert. Solche Teams werden gebildet, um längere Zeit parallel zu den Trägerorganisationen Aufgaben zu lösen, die diese nicht lösen können. Ein Beispiel sind Organisationsteams, die bei Firmenglobalisierung weltweit gemeinsame Geschäftsprozesse oder Standards einführen und pflegen.

·         Projekt- oder Produktentwicklungsteams: Dies sind Teams mit zeitlich begrenzter Wirkungszeit. Nach dem Projekt oder nachdem das Produkt entwickelt ist, werden diese Teams wieder aufgelöst. Genau mit diesen Teams beschäftigt sich das vorliegende Buch.

·         Arbeits- oder Produktionsteams: Arbeits- oder Produktionsteams arbeiten im Gegensatz zu Projektteams fortlaufend zusammen; sie findet man in der Regel innerhalb eines räumlich verteilten Funktionsbereichs eines Unternehmens wie Buchhaltung oder Software-Programmierung. Beispiele hierfür sind vor allem Softwarefirmen, aber auch Firmen, deren Mitarbeiter durch Telearbeit angebunden sind.

·         Service-Teams : Mit der weltweiten Vernetzung der Unternehmen und dem wachsenden Angebot an IT- und Kommunikations-Dienstleistungen gehen einige Unternehmen dazu über, die Service-Funktionen rund um die Uhr anzubieten. Dies machen Service-Teams möglich, die in unterschiedlichen Zeitzonen „der Sonne folgend“ aktiv werden.

·         Management-Teams : Diese Teams gehören in der Regel einer Organisation an und arbeiten fortlaufend zusammen. Als Top-Manager-Teams sind sie typisch für multinationale Konzerne oder globalisierte Verkaufsorganisationen.

·         Action-Teams : Auch Action-Teams, die für eine bestimmte Mission oder Gefahrensituation gebildet werden, arbeiten zunehmend virtuell. Sie können räumlich verteilt sein und unterschiedlichen Organisationen angehören, arbeiten aber meist zur gleichen Zeit. Beispiele sind Katastrophen-Teams für Tornado-Vorhersage oder NASA-Flugkontroll-Teams, die einen Weltraumflug rund um den Globus zur gleichen Zeit begleiten.

 

Team-Art

verschiedene Organisationen

verschiedene Orte

unterschiedliche Wirkungszeiten

Vernetzt

ja

ja

ja

Parallel

ja

ja

ja

Projekt/Produkt

ja

ja

ja

Arbeit/Produktion

nein

ja

ja

Service

nein

ja

ja

Management

nein

ja

ja

Action

ja

ja

nein

Tabelle 1: Eigenschaften verschiedener virtueller Teams (angelehnt an [Duarte+ 1999])

Haywood[x] betrachtet jedes Team, dessen Mitglieder voneinander geografisch getrennt arbeiten, als virtuell. Sie geht auf der Basis eigener Consulting-Erfahrungen und einer empirischen Umfrage unter 514 Managern von High-Tech-Unternehmen konkret auf das Verhalten und die Bedürfnisse von solchen verteilten Teams ein und stellt ein vierstufiges Maturity Model for Distributed Teams  auf, ähnlich dem in der Softwareentwicklung bekannten Vorgehensmodell Capability Maturity Model (CMM) [xi]. Haywood hält folgende Faktoren für die treibende Kraft für das zunehmend häufige Entstehen von verteilten Teams:

·         Verfügbarkeit adäquater IuK-Technologien,

·         Firmenfusionen und -einkäufe,

·         Entwicklung und Produktion in so genannten Billiglohnländern,

·         Outsourcing und Downsizing und

·         technische Spezialisierung.

Projektarbeit in virtuellen Teams ist Gegenstand von aktueller Forschung und empirischen Untersuchungen. In der Literatur wird sie derzeit noch recht wenig berücksichtigt.

 

1.3.6        VPMO – Virtual Project Management Office

Ein Projektbüro , Project Office oder Project Management Office  ist eine Organisationseinheit, die als Dienstleister und Know-how-Träger die Projektarbeit unterstützt. Die Namensgebung, das Verständnis sowie die Rolle und Aufgaben eines Project Office werden detaillierter in Abschnitt 2.5 besprochen.

Unter einem virtuellen Projektbüro verstehen wir eine internetbasierte Plattform, die die Projektarbeit unterstützt. Diese Plattform nutzt dabei die Portal-Technologien und Knowledge Management-Konzepte. Sie stellt der Project-Community die verfügbaren Projekt-Standards und -Informationen zur Verfügung.

Ein Beispiel für ein VPMO-Portal (ohne Projekt-Inhalte), das ausschließlich mit Open Source-Software erstellt wurde, ist auf der dem Buch beigelegten CD-ROM enthalten.

 


 

[i] Aus der zahlreichen Fachliteratur zum Thema Projektmanagement seien für den Leser folgende Publikationen herausgepickt:

·         Für den schnellen Leser das beliebte Büchlein: Projekte zum Erfolg führen, von Schelle [Schelle 1999]: ein sehr gut lesbares Taschenbuch, das einen schnellen und trotz relativ geringen Buchumfangs vollständigen Überblick über das Thema gibt. Hilfreich sind auch zahlreiche weitere Literaturverweise.

·         Der Klassiker von Littke [Littke 1995], der seit 1991 bereits in der fünften Auflage erschienen ist: auch ein hilfreiches Buch, in dem allerdings einige Teile, insbesondere wo es um die EDV-Unterstützung geht, schon leicht angestaubt sind.

·         Der Projektbegleiter von Patzak und Rattay [Patzak+ 1998]: eine preisgekrönte recht umfangreiche Publikation, die den Leser phasenweise durch das Projekt leitet.

·         Zum Suchen und Finden: die Loseblattsammlung „Projekte erfolgreich managen“ [Schelle+ 1994], die in Beiträgen von unterschiedlichen Autoren, Spezialisten und Praktikern, seit 1994 regelmäßig aktualisiert, auch zahlreiche Nischen zum Thema Projektmanagement abdeckt.

[ii] Die Bezeichnung Virtual Project Office hat im vorliegenden Text zwei mögliche Bedeutungen: als VPMO geschrieben, ist es die Gattung aller VPMOs; als vPMO geschrieben, wird damit das konkrete Produkt von klee – advanced communication gemeint. 

[iii] Die Abgrenzung der klassischen CSCW-Anwendungen von den heutigen Collaborations-Plattformen wurde dem Artikel „Computer Supported Cooperative Work (CSCW) – State-of-the-Art und zukünftige Herausforderungen“ von Andrea Back und Andreas Seufert, in: Praxis der Wirtschaftsinformatik, Heft 213, 06/2000 entnommen.

[iv] Der Begriff virtuell wird z. B. im Duden Fremdwörterbuch, 1990, aufgeführt als: „der Kraft oder Möglichkeit nach vorhanden“.

[v] Diese Definition des Begriffs virtual (being in essence or effect but not in fact or name) findet man in Webster‘s New Encyclopedic Dictionary, 1993; in Webster’s new Collegiate Dictionary, 1977, wird der Begriff virtual wie folgt erklärt: „beeing such in essence or effect though not formally recognized or admitted“.

[vi] Das virtuelle Speicherprinzip nennt Wettstein in: Aufbau und Struktur von Betriebssystemen, Carl Hanser Verlag 1978; S. 16; „die bedeutendste Neuerung“ der Periode von 1965 bis 1970.

[vii] Den virtuellen Speicher erläutert Dworatschek in: Grundlagen der Datenverarbeitung [Dworatschek 1989a], S. 424 ff.

[viii] Lipnak und Stamps lieferten 1997 in ihrer Publikation Virtual Teams eine der ersten Definitionen eines virtuellen Teams. Die hier zitierte deutsche Übersetzung stammt von [Lipnak 1998], Seite 31.

[ix] Duarte und Snyder führen die unterschiedlichen Typen von virtuellen Teams auf, in [Duarte 1999], Seite 4 ff.

[x] Eine ausführliche Besprechung von virtuellen Teams findet man in [Haywood 1998].

[xi] Das Software Capability Maturity Model wurde 1987 in den USA beim Software Engineering Institute  (SEI ) entwickelt. In CMM durchläuft die kontinuierliche Verbesserung der Softwareprozesse stufenweise fünf Reifegrade. In jeder Stufe muss in den definierten Schlüsselbereichen eine gute Qualität erreicht werden, damit die Gesamtorganisation den nächsten Reifegrad im Sinne des CMM  erreicht.